Die Renaissance der Fakten: Wie ihr aus Daten Geschichten macht

Präsentation, Storytelling, Trainings

Daten gelten gemeinhin als das Gold des Digitalen Zeitalters. Aber wie nutzt ihr diesen Schatz, um eure Präsentationen wirkungsvoller zu erzählen? In diesem Blogbeitrag beschäftige ich mich damit, wie ihr aus Daten Geschichten macht und erzähle euch mit Hans Rosling, einem wahren Pionier der Datenanalyse, wie uns bei dieser Arbeit die menschlichen Instinkte im Weg stehen.

Warum Daten Geschichten erzählen sollten

Wenn wir in dieser Blogserie über Storytelling sprechen, dann meinen wir damit nicht in erster Linie Fiktion und Märchen. Wir sprechen davon, wie wir ein Thema so anpacken, so erlebbar machen, dass es sich wirkungsvoll und nachhaltig mit den Menschen verbindet. Wird ein Thema nicht nur logisch verstanden, sondern auch emotional erlebbar, erfährt es dadurch nach vielen neurowissenschaftlichen Studien beim Empfänger eine höhere Akzeptanz. Das Thema wird besser erinnert und öfter weitererzählt. Übertragen auf Daten bedeutet das: Ohne Kommunikatoren, die imstande sind, Daten in nachvollziehbare Geschichten einzukleiden, ergeben Daten sprichwörtlich keinen Sinn und erzeugen keine Wirkung. Die Autoren Chip und Dan Heath erzählen in ihrem Buch Made to stick von einem Versuch mit Studenten an der Stanford University. Die Hälfte der Versuchsgruppe präsentierte die Ergebnisse eines Referats auf Basis von reinen Statistiken, die anderen nutzen Geschichten. Das Ergebnis wird uns wenig überraschen: Fünf Prozent erinnerten sich an die Statistiken, 63 Prozent an die Geschichten.

Hier beginnt eure Arbeit und hier beginnt dieser Blog, Die Herausforderung besteht darin, die analytische Ebene der Daten mit den Möglichkeiten des Storytellings zu verbinden. Das ist im Grunde nichts Neues, sondern passiert fast automatisch, wenn ihr mit Daten und Fakten arbeitet. Denn Daten haben in sich ja noch keine Richtung und kein Ziel. Das ist die Zutat, die ihr hinzufügt, und mit der ihr eurem Publikum eine Interpretation der Dinge anbietet, die ihm hilft, Daten überhaupt erst zu verarbeiten.

Hört an der Stelle auch einmal unseren Podcast „Data Storytelling. Von nackten Zahlen zu starken Stories“ mit der Unternehmerin Lisa Dust, die das Thema von ihrem Hintergrund als Datenanalystin aus beschreibt.

"We need a new generation of executives who understand how to manage and lead through data.  And we also need a new generation of employees who are able to help us organize and structure our businesses around that data."

Marc BenioffCEO, Salesforce

Wie ihr aus Daten Geschichten macht, die in den Köpfen eurer Zielgruppe ein Bild erzeugen

Wie entstehen nun Geschichten aus Daten und wie entwickelt ihr auf deren Basis eine Präsentation? Einfach gesagt, in dem ihr die Werkzeuge des Storytellings, die hier im Rahmen der Blogserie vorgestellt werden, mit Daten verbindet. Der Ausgangspunkt wird aber immer sein, dass ihr zunächst einmal euer Datenmaterial beherrscht. Verschafft euch einen Überblick über die Fakten, ordnet und sortiert: Ist das Bild vollständig, zutreffend? Gibt es vielleicht noch anderes Material, das ihr hinzuziehen sollet? Was erzählen die Daten wirklich? Probiert verschiedene Interpretationen und Lesarten aus und macht die Perspektive weit. Auch hier gilt, wie so oft: Vorsicht vor schnellen Schlüssen. Das kann im Zweifelsfall bedeuten: Kill your darling. Eine Pointe oder Schlussfolgerung mag sich im ersten Moment überzeugend anhören, aber wie ist es für das Publikum. Probiert Wege aus, spitzt zu, pointiert. Versetzt euch gleichzeitig in die Perspektive des Skeptikers. Was würde er zu eurer Interpretation sagen? Welche anderen Schlüsse würde er ziehen? Welche Daten vermissen? Auch wenn ihr bei eurer Interpretation bleibt, hilft euch das, eure Geschichte besser und widerstandsfähiger zu machen.

"Tell me the facts, and I’ll learn. Tell me truth, and I’ll believe. But tell me a story, and it will live in my heart forever."

Amerikanisches Sprichwort

Die Analyse der Daten ist häufig schon die halbe Miete – hier stelle ich euch einige Strategien vor, wie ihr mit den Mitteln des Storytellings eure Daten nur wirkungsvoller erzählen könnt. Mehr Ansätze und Strategien findet ihr auch in dem Buch „Data Story“ von Nancy Duarte, aus dem ich im Folgenden einige Anleihen nehme.

1. Pointierung durch Visualisierung

Eine der naheliegendsten, aber auch wirkungsvollsten Strategien, Daten erlebbar zu machen, ist natürlich die Visualisierung. Durch Grafiken beispielsweise werden zunächst abstrakte Zahlen auch räumlich sichtbar. Eine gute Strategie ist hier, dass ihr schrittweise vorgeht. Zu Beginn helfen Euch sämtliche Formen der Grafiken wie Balken-, Torten-, Kreisdiagramme, um auch selbst eure Datenbasis besser zu verstehen. Im zweiten Schritt macht euch noch einmal eure Kernbotschaft bewusst und sucht einen einfacheren Darstellungstyp, der eure Kernbotschaft klarer und einfacher stützt. Arbeitet eure Kernaussage auch visuell heraus und pointiert beispielsweise, indem ihr eure Grafik mit einem herausgehobenen Fakt kombiniert oder ein anderes visuelles Element wie beispielsweise ein Bild mit einer Metapher oder Analogie einsetzt.

2. Eine Datenstory braucht Struktur

Wir haben in dieser Blogserie schon die Strukturierungsmethodik Situation-Complication-Solution eingeführt. Mit Daten ergibt sich daraus im Sinne einer logischen Kette eine wirkungsvolle Struktur, die eure Geschichte nachvollziehbar macht. Nancy Duarte vergleicht sie in ihrem Buch „Data Story“ mit den drei Akten eines Theaterstücks (Anfang, Mittelteil, Schluss):  Der Anfang macht die aktuelle Situation klar: Was sagen uns die Daten, wo stehen wir heute? Im Mittelteil wird das Problem eingekreist: Was macht die Situation so problematisch? Welchen Konflikt zeigen die Daten auf? Warum kann die Welt nicht so bleiben wie sie ist? Was müssen wir ändern? Im Schluss wird die Lösung vorgestellt: Wo führt uns das hin? Wo ist der Weg in eine bessere Zukunft? Mit dieser einfachen Struktur nehmt ihr das Publikum mit auf die Reise und erleichtert ihm auch, eurer Geschichte zu folgen.

3. Verbindung mit dem Why herstellen

Für das emotionale Feuer in euren Präsentationen hatte ich bereits das Why-How-What-Modell von Simon Sinek vorgestellt (s. unser Blogartikel „Das Prinzip Storytelling“). Verbindet es mit eurer Datenstory. Die Frage What beschreibt, was zu tun ist. Die Frage Why ist aber diejenige, die Flughöhe herstellt: Warum sollte ich etwas tun? Was ist der Sinn? Es verbindet euer Thema mit der Bedeutungsebene. Beim How hingegen seid ihr auf der Prozessebene: Wie wollt ihr das anstellen? Wie wird/soll es funktionieren? Wie so oft im Leben kommt es auf die richtigen Fragen an. Stellt den Daten diese Fragen, dann findet ihr die Antworten, die ihr dem Publikum geben müsst, um es mit auf die Reise zu nehmen. Nutzt diese Ebenen und webt sie mit in eure Datenstory ein wie im vorherigen Abschnitt beschrieben.

4. Überraschende Fakten

Wie ihr wisst, lösen Geschichten, die uns emotional berühren, neurologische Prozesse in unserem Gehirn aus. Dabei setzt es Botenstoffe wie Dopamine, Oxytocine oder Endorphine frei, die uns wacher und aufnahmebereiter machen und die dazu beitragen, dass wir uns Botschaften besser aufnehmen und erinnern. Dasselbe passiert auch bei Humor – wenn wir gemeinsam lachen – und bei überraschenden Fakten. Auch dieses Potenzial schlummert in Daten: Das eine Detail, was niemand für möglich gehalten hätte. Manchmal ist es vielleicht auch nur ein kleiner Seitenblick oder Fun Fact, der ein Icebreaker in einer Präsentation sein kann.

Hommage an Hans Rosling: Warum es darauf ankommt, aus Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen

Ich möchte hier keinen Blog schreiben, ohne den Verweis auf eines der wichtigsten Bücher, die ich zu diesem Thema gelesen haben. „Factfulness“ ist das Buch und wissenschaftliche Erbe von Hans Rosling, einem schwedischen Forscher und Experten auf dem Gebiet der Datenanalyse.

"There’s no room for facts when our minds are occupied by fear."

Hans Roslingschwedischer Forscher und Experte auf dem Gebiet der Datenanalyse

Die Kernbotschaft von Hans Rosling ist, dass die meisten Menschen in einer verzerrten Wahrnehmung der Welt leben, die unser Denken und Handeln seiner Meinung nach deutlich negativ beeinflusst. Dies beobachtete er etwa in der Arbeit mit seinen Studenten – eigentlich einer wie man meinen sollte, sehr gebildeten Gruppe – die ein deutlich negativeres Bild vom Fortschritt in der Welt haben, als es eigentlich der Realität entspricht. Diese verzerrte Wahrnehmung liegt nicht an der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Daten, sondern er an einer irreführenden Intuition, die in unseren Instinkten angelegt scheint – und an der verfügbaren Übersicht von Daten. Mit seinem Institut Gapminder machte er sich deshalb zur Aufgabe, Daten auf einer höheren Ebene zu verdichten und so den größeren Zusammenhang der Dinge zu beleuchten. Die Grafik unten zeigt beispielsweise, eine Zusammenschau von Daten aus verschiedenen Quellen über die Verteilung von Einkommen und Gesundheit in der Welt. Das Bild zeigt entgegen der Intuition nicht die einfache Verteilung in Arm und Reich. Vielmehr wird sichtbar, dass das echte Bild wesentlich differenzierter und keineswegs schwarz und weiß ist. Die Zeitreihenbetrachtung wiederum zeigt – ebenfalls entgegen der ersten Intuition – das in den letzten 30 bis 40 Jahren eine beachtliche Entwicklung stattgefunden hat. Dasselbe gilt für zahlreiche andere Beispiele: Kindersterblichkeit, Ernährungssituation, sogar die Anzahl der Todesopfer von Umweltkatastrophen. Alle diese Daten haben sich positiv entwickelt – oft entgegen unserer allgemeinen Intuition. Gleichzeitig ist unbestritten, dass die Erwärmung des Planeten zunimmt, genauso wie die absolute Anzahl der Umweltkatastrophen. Es ist eben beides wahr. Oder wie Hans Rosling es beschreibt: „Dinge können gleichzeitig schlecht sein und besser werden.“

Die Tendenz, die Dinge negativer wahrzunehmen als sie sind, scheint einerseits durch die Medienlogiken unterstützt zu werden, gleichzeitig in der menschlichen Biologie verankert zu sein. In seinem Buch „Factfulness“ beschreibt Rosling verschiedene Instinkte, auf die sich diese verzerrten Wahrnehmungen zurückführen lassen. So haben Menschen einen starken Impuls – wie oben gesehen – die Welt sehr zwiegespalten wahrzunehmen und in zwei Gruppen aufzuteilen. Außerdem lassen sich Menschen stark von Ängsten leiten und sind eher bereit einer negativen und schicksalhaften Weltsicht zuzustimmen. Dem setzt Hans Rosling sein Konzept der Factfulness entgegen. Factfulness bedeutet für ihn mit Daten in einem positiv aufklärerischen Sinn umzugehen. Das hat nichts mit Naivität und falschem Optimismus zu tun, sondern damit, unsere Instinkte zu kennen, um ihnen eine vernünftige faktenbasierte Sicht entgegen zu stellen.

Ich wünsche Euch spannende Erkenntnisse bei der Beschäftigung mit den 10 Instinkten:

  1. Der Instinkt der Kluft beschreibt den Trugschluss, dass die Welt in zwei Hälften geteilt ist.

  2. Der Instinkt der Negativität beschreit den Trugschluss, dass die Welt immer schlimmer wird.

  3. Der Instinkt der geraden Linie beschreibt zum Beispiel den Trugschluss, dass sich die Dinge in einer geraden Linie fortsetzen, was aber in den wenigsten Fällen der Fall ist.

  4. Der Instinkt der Angst beschreibt, dass sich Menschen stärker von ihren Ängsten als der Vernunft leiten lassen.

  5. Der Instinkt der Dimension beschreibt die Dinge nicht im richtigen Verhältnis zu sehen.

  6. Der Instinkt der Verallgemeinerung beschreibt bei aller Notwendigkeit von Kategorisierungen und Vereinfachungen den menschlichen Instinkt durch Verallgemeinerung einer verzerrten Weltsicht aufzusitzen.

  7. Der Instinkt des Schicksals beschreibt die Vorstellung, dass Dinge aus unveränderlichen und unentrinnbaren Gründen so sind, wie sie sind: Sie waren schon immer so und werden auch immer so sein.

  8. Der Instinkt der einzigen Perspektive ist die Tendenz die Dinge aus einer stark vereinfachten Perspektive zu betrachten. Alle Probleme haben eine einfache Ursache – etwas, das wir immer in Bausch und Bogen ablehnen müssen.

  9. Der Instinkt der Schuldzuweisung strebt danach, einen klaren und einfachen Grund dafür zu finden, für das, was passiert ist.

  10. Der Instinkt der Dringlichkeit ist der Instinkt anzunehmen, dass jetzt oder nie gehandelt werden müsste. Aus dem Instinkt heraus, dass es morgen dafür zu spät sein könnte. Meistens ist es das aber nicht.

Schaubild "10 Instincts"
Lars Plickert, Storytelling-Experte und Trainer bei K16

Über Lars und seine Arbeit bei K16

Ich bin seit 2005, nur unterbrochen durch einen kurzen Ausflug in die Gründerszene, bei K16 und betreue heute als Strategischer Berater und Kommunikationsexperte Unternehmenskunden aus praktisch allen Branchen. Dazu gehören Projekte der Change-Kommunikation, der Markenentwicklung und Kommunikation im Rahmen von Events. Ein Medium, an dem man bei K16 dabei definitiv nicht vorbeikommt, sind Präsentationen. Aus meiner Sicht eine der schönsten und wirkungsvollsten Kommunikationsformen überhaupt, weil sich hier Themen unmittelbar und persönlich mit Menschen verbinden. In Workshops und Trainings berate ich Kunden dabei, wie sie die Geschichten für ihr Präsentationsthema − oft sind das komplexe B2B-Themen − in wirkungsvolle Präsentationen übersetzen und dabei auf der Bühne vor Publikum bestehen. In diesem und den folgenden Blogbeiträgen, möchte ich Erkenntnisse aus diesen Trainings und meiner Arbeit in Kundenprojekten teilen.

Bei Fragen, Anmerkungen und Anregungen freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kontakt@k16.de oder über Ihre Nachrichten per Kontaktformular.

Emotionale Geschichten aus schlichten Fakten?