Das Prinzip Storytelling: Für das emotionale Feuer in euren Präsentationen

Präsentation, Storytelling

Kaum ein Begriff wird Im Bereich Marketing und Werbung so inflationär genutzt wie der Begriff Storytelling. In diesem Blog versuche ich es mit einer Einordnung und Definition und beschreibe, wie ihr Mechaniken des Storytellings in eurer nächsten Präsentation nutzen könnt.

Lars Plickert, Strategischer Berater, Kommunikationsexperte und Trainer bei K16 schreibt an dieser Stelle über seine Workshop-Erfahrungen und gibt Tipps für die Praxis.

Warum sollte euch Storytelling interessieren?

Im Agenturalltag arbeite ich täglich mit Kunden zusammen, die häufig komplexe B2B-Themen umtreiben. Darin sind sie gut, das ist ihre Profession. Gleichzeitig sind die Talente, ein:e gute:r Kommunikator:in zu sein, ungleich verteilt. Woran liegt es, dass die einen offenbar ihre Zielgruppe erreichen, während die anderen mit guten Ideen nicht durchdringen?

"After nourishment, shelter and companionship, stories are the thing we need most in the world."

Phillip Pullman britischer Autor

Die Antwort ist ganz einfach: Menschen sind emotionale Wesen mit dem Grundbedürfnis nach Gemeinschaft und Sicherheit. Und hier liegt der tiefere Kern von Storytelling. Wir folgen denen, die eine nachvollziehbare Geschichte erzählen und die in der Lage sind, uns Sinn und Orientierung zu geben: Wofür ist etwas gut? Was hat das mit mir zu tun? Und wir tun uns leichter denen zu folgen, die uns selbst mit Leidenschaft und Emotionen ansprechen. Kurzum: Eine gute Story zeichnet aus, dass sie Emotionen erzeugt, dass sie Sinn stiftet, dass sie einfach ist und sich leicht nacherzählen lässt.

Bild eines Lagerfeuers in der Dämmerung am Meer

Gute Kommmunikator*innen machen all das auf einmal. Und gute Geschichten erzählen sich nicht nur fast von selbst, sie erzählen sich im besten Fall auch selbst weiter. Wir haben uns bei K16 das Leitmotiv der „Feuermacher“ gegeben. Wir wollen Geschichten erzählen, die so stark sind, wie jene Geschichte, die man sich am Lagerfeuer erzählt und die von einem Lagerfeuer zum nächsten getragen werden.

Warum es in Stories immer um einen Sinn geht

In einem der wohl berühmtesten TED-Talks aller Zeiten erklärt Simon Sinek anhand des von ihm entwickelten Why-How-What-Modells den Erfolg der Kommunikation von Apple. Ausgehend von dem Why gewinnen das How und das What in seiner Erzählung eine ganz andere Bedeutung, was für eine spürbare Wirkung im Raum sorgt (auch, weil Sinek das gleichzeitig in Form einer einfachen Zeichnung auf einem Flip-Chart und mit entsprechender Leidenschaft vorzutragen weiß).

Why: „In everything we do, we believe in challenging the status quo.“

How: „Our computers are beautifully designed and user-friendly.“

What: „It just happens that we make great computers."

"People don’t buy what you do. They buy why you do it."

Simon SinekUS-amerikanischer Sozialpsychologe

Das schließlich bringt ihn zu der Einschätzung, dass Menschen nicht das kaufen, was wir tun, sondern warum wir es tun. Es ist also der Sinn des Produkts, welcher der Kommunikation die Richtung vorgibt. Und meiner Einschätzung nach basiert dies auf dem urmenschlichen Bedürfnis nach Orientierung und Gemeinschaft. Kann ich meinem Gegenüber – oder demjenigen, der da vor mir steht mit seiner Präsentation – vertrauen? Sind wir auf einer gemeinsamen Welle unterwegs? Der Sinn ist deshalb aus meiner Sicht auch der Schlüssel für erfolgreiche Kommunikation.

Grundsätzlich zeigt sich, dass wir in der B2B-Kommunikation häufig auf der What-Ebene unterwegs sind. Mein Appell an dieser Stelle: Verbindet eure Themen mit einem echten Sinn, so schafft ihr Flughöhe für eurer Thema. Mehr praktische Tipps dazu findet ihr auch in meinem kommenden Blogbeitrag: Vom Sinn her denken – wie ihr Flughöhe in Präsentationen herstellt.

Why, How, What: Der Golden Circle nach Simon Sinek

Was passiert beim Storytelling im Kopf?

Bis hierher haben wir über Storytelling als ein universelles Prinzip gesprochen, in dem es darum geht, Sinn, Orientierung und Gemeinschaft herzustellen. Wirkungsvoll wird dieses Prinzip, wenn es sich mit Geschichten, Bildern oder Metaphern verbindet, die über Emotionen Bereiche im Gehirn ansprechen, die über reine Fakten nicht erreicht werden. Es existieren mittlerweile zahlreiche neurowissenschaftliche Studien, die die Wirkungsweise von Storytelling im menschlichen Gehirn beschreiben.

"The human mind is a story processor not a logic processor."

Jonathan HaidtUS-amerikanischer Sozialpsychologe

  1. Kortex-Aktivität

    Wer nur Fakten verarbeitet, aktiviert dazu lediglich zwei Gehirnbereiche. Erzählungen stimulieren zusätzliche neurologische Regionen. Metaphern, die Bewegung, Geruch, Geschmack oder Texturen beschreiben, stimulieren den sensorischen und den motorischen Kortex. Dies verleiht Wörtern einen Sinn. Und es hilft, Informationen auf einer tieferen Ebene in Beziehung zu setzen, wodurch sie länger im Gedächtnis haften bleiben.

  2. Neuronale Kopplung

    Storytelling aktiviert die Bereiche im Gehirn, die für Assoziationen zuständig sind. Durch neuronale Kopplung können sie leicht in virtuelle Erfahrungen und eigene Ideen umgewandelt werden.

  3. Spiegeleffekt

    Gute Geschichten erzeugen Charaktere, in denen wir uns selbst wiedererkennen. Laut Studien erleben Sender und Empfänger – Erzähler und Zuhörer – eine ähnliche Gehirnaktivität. Sie begegnen sich leichter auf Augenhöhe: Gesten, Sprachmuster oder Denkweisen werden imitiert. Emotionen werden miterlebt, eine emotionale Identifikation mit den Protagonisten ist leichter möglich.

  4. Dopamin, Oxytocin, Endorphin

    In emotional aufgeladenen Situationen werden Dopamine freigesetzt (der Neurotransmitter ist auch als Glückshormon bekannt), was die Informationsaufnahme fördert. Auch Oxytocine (Empathie) und Endorphine (Spannung) spielen eine Rolle. Viele Studien zeigen, dass wir uns – sobald Emotionalität im Spiel ist – besser an Details und den Kontext erinnern können.

Die Rechte Gehirnhälfte: verantwortlich für Kortex-Aktivität, neuronale Kopplung und Spiegeleffekt

Wie funktioniert Storytelling praktisch in einer Präsentation?

Ok, Prinzip verstanden. Und jetzt? Wenn ihr Storytelling praktisch in eurer nächsten Präsentation nutzen wollt, dann habt ihr jetzt schon viele Ansatzpunkte. Zunächst einmal: Denkt an Storytelling als universelles Prinzip. Es geht darum vom Sinn her zu erzählen, Orientierung zu stiften, die Gemeinsamkeiten mit dem Publikum im Auge zu behalten. Jetzt könnt ihr Elemente des Storytellings verwenden, die eure Botschaften unterstützen. Dafür muss nicht gleich die gesamte Präsentation wie eine Heldenreise aufgebaut sein. Es könnte schon reichen, wenn ihr eine persönliche Anekdote oder Geschichte erzählt, die euer Thema bzw. eure Botschaft anschaulich und für das Publikum nachvollziehbar macht. Aber Achtung: Es geht nicht um euch, es geht um das Publikum. Das Publikum muss sich mit eurer Geschichte verbinden können. Hier ein paar Vorschläge, wie ihr eure nächste Präsentation stärker emotionalisieren könntet:

  1. Personas

    Eine naheliegendsten Möglichkeiten ein möglicherweise abstraktes Thema in ein greifbares zu verwandeln sind Personas. Dabei denkt ihr an euch typische Anwender*innen eures Produkts oder an Menschen, die von eurem Thema betroffen sein werden oder betroffen sein könnten. Stellt euch einen lebendigen Menschen vor. Jetzt beschreibt ihr aus seiner Perspektive das Thema in Form einer Geschichte. Klassischerweise ist eine Geschichte nach dem Prinzip Situation-Complication-Solution. Die Situation: Wie ist die Ausgangssituation? Vor welchen allgemeinen Herausforderungen steht die Protagonostin/der Protagonist eurer Geschichte? Complication: Welches spezielle Problem bringt sie/ihn in einen Konflikt? Solution: Wie löst ihr am Ende mit eurem Produkt oder eurer Lösung den Konflikt auf? Möglicherweise kann es auch Sinn machen, verschiedene Personas zu erarbeiten und so verschiedene Facetten des Themas darzustellen.

  2. Metaphern/Analogien

    Eine weitere Möglichkeit, eure Präsentation zu emotionalisieren, steht euch mit Metaphern und Analogien zu Verfügung. Eine meine persönlichen Lieblingsanalogien ist der Pinguin. Auch weil dieses kleine sympathische Tier einen interessanten Konflikt in sich trägt. Der Pinguin gehört nämlich zu der Kategorie der Vögel. Seine besondere Meisterschaft entfaltet der Pinguin allerdings nicht in der Luft, sondern im Meer. Er ist ein perfekter Schwimmer. Das lässt sich wunderbar nutzen, um damit einen Konflikt aus der menschlichen Welt zu verbinden und aufzulösen. Zum Beispiel: dass es manchmal länger dauert, seine wahre Profession zu finden, oder dass es sich lohnt, genau hinzuschauen, wo jemand seine wahren Stärken hat. Hier spürt man, dass die Analogie die Kraft hat, ein Thema wirklich zu erleben, statt es nur rational nachzuvollziehen. Ähnlich funktioniert auch die Metapher der Bergsteiger. Am Berg zählt zum Beispiel die Seilschaft, dass sich einer auf den anderen verlassen kann. Eine Präsentation kann von der Reise mit allen Beschwerlichkeiten erzählen, bis der Gipfel erklommen ist. Und auch wenn dieses Motiv oder diese Metapher schon hunderte Male erzählt wurde, so muss sie deshalb nicht langweilig und abgegriffen sein, sie kann nämlich auch immer wieder überraschend und neu erzählt werden.

  3. Überraschende Fakten

    Eine weitere spannende Möglichkeit um zu emotionalisieren, sind übrigens ausgerechnet Zahlen. Und zwar, indem man sie überraschend inszeniert. Denn wenn man genau hinschaut, enthalten Zahlen häufig Geschichten, die spannende Ausgangspunkte bieten (hört hierzu auch unsere Podcast-Episode über Data Storytelling). Eine solche Geschichte stammt von Robert Ballard, inzwischen emeritierter Professor für Ozeanographie an der University of Rhode Island. Seine Mission bestand darin, die Lebensräume in Küstenregionen Nordamerikas besser zu schützen. Auch ein Thema mangelnder finanzieller Ressourcen. Mit einer einzigen Zahl erzählte er die gesamte Geschichte dessen, was hier zu tun war: Er hatte errechnet, dass mit dem Budget der NASA beeindruckende 1.600 Jahre lang die Lebensräume vor den Küsten Nordamerikas wirkungsvoll geschützt werden könnten.

Ein Pinguin auf Tauchgang

Dies sind nur drei von vielen Möglichkeiten, eine Präsentation im Sinne von Storytelling zu emotionalisieren und damit Inhalte wirkungsvoller und nachhaltiger in den Köpfen des Publikums zu verankern. Letztendlich zählen dazu auch Visualisierungen und Grafiken, die ein abstraktes Thema räumlich erlebbar machen. Ihr könntet in einem Präsentationsszenario euer Thema auch mit einer überraschenden Inszenierung oder einem Gegenstand, den ihr mit auf die Bühne bringt, unterstützen. Oder es ist Humor, der beim Publikum einen Dopamin-Austausch auslöst. Was es tatsächlich nie sein sollte: eure Präsentation clownesk, aufgesetzt oder übertrieben darzustellen. Setzt eure Mittel wirksam und akzentuiert ein; vorzugsweise an den Stellen, an denen ihr die größte Wirkung entfalten wollt.

Was bringt Storytelling wirklich für Präsentationen

Die Frage bleibt, was taugt Storytelling in Präsentationen? Die Wahrheit ist: es führt kein Weg daran vorbei, wenn ihr erfolgreich präsentieren wollt. Storytelling ist ein universelles Prinzip, mit dem ihr wirkungsvoll vom Sinn her eine Kommunikation aufbaut und ein gemeinschaftliches Erlebnis mit dem Publikum erzeugt. Gleichzeitig ist es wie immer im Leben – entscheidend sind Maß und Mitte. Vor einigen Jahren, als der Hype um das Thema Storytelling begann, mag das anders gewesen sein. Heute genügt es, eine halbe Stunde in Social Media unterwegs zu sein und hunderte (und viele sehr professionelle) Geschichten, Metaphern oder Sinnsprüche zu finden. Klar, das ist nicht die große Kunst. Viel entscheidender ist es, dass ihr eure Kernbotschaften und Inhalte klar und geordnet vor euch habt. Von da aus erzählt sich eine gute Geschichte nämlich in der Regel fast von alleine (hier verweise ich auch noch einmal auf meinen Blogartikel „Get the basics done“, in dem ich beschreibe, wie ihr euer Thema strukturiert vorbereitet, so dass ihr wirkungsvoll kreativ werden könnt.)

"Good content isn’t about good storytelling. It’s about telling a true story well."

Ann HandleyWall Street Journal
Lars Plickert, Storytelling-Experte und Trainer bei K16

Über Lars und seine Arbeit bei K16

Ich bin seit 2005, nur unterbrochen durch einen kurzen Ausflug in die Gründerszene, bei K16 und betreue heute als Strategischer Berater und Kommunikationsexperte Unternehmenskunden aus praktisch allen Branchen. Dazu gehören Projekte der Change-Kommunikation, der Markenentwicklung und Kommunikation im Rahmen von Events. Ein Medium, an dem man bei K16 dabei definitiv nicht vorbeikommt, sind Präsentationen. Aus meiner Sicht eine der schönsten und wirkungsvollsten Kommunikationsformen überhaupt, weil sich hier Themen unmittelbar und persönlich mit Menschen verbinden. In Workshops und Trainings berate ich Kunden dabei, wie sie die Geschichten für ihr Präsentationsthema − oft sind das komplexe B2B-Themen − in wirkungsvolle Präsentationen übersetzen und dabei auf der Bühne vor Publikum bestehen. In diesem und den folgenden Blogbeiträgen, möchte ich Erkenntnisse aus diesen Trainings und meiner Arbeit in Kundenprojekten teilen.

Bei Fragen, Anmerkungen und Anregungen freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kontakt@k16.de oder über Ihre Nachrichten per Kontaktformular.

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