Innovationsprodukt Apfel? – Digitalisierung und Marketing im traditionellen Obstanbau

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Heute ist der Tag des deutschen Apfels. Unser Director Account Management bei K16, Oktay Yaldiz, wollte wissen, wie Digitalisierung, Technologie und Marketingtrends traditionelle Obstbauern und ihre scheinbar zeitlosen Produkte beeinflussen. Also ging er in Hamburg vor die Haustür, hinein ins Alte Land, und fragte bei Jon Kotulla vom Obsthof Kotulla nach.

Lieber Jon, du bist Obstbauer im Alten Land, dem größten zusammenhängenden Obstanbau-Gebiet Europas. Wie steht es denn um den Apfel?

Der Apfel ist immernoch das liebste Obst der Deutschen. Unser Schwerpunkt liegt allerdings auf Süßkirschen, da sich der Apfelanbau wirtschaftlich kaum noch lohnt. Wir produzieren Äpfel und einen kleinen Teil Birnen sowie Pflaumen für unsere Wochenmärkte – und unseren Apfel-Cider.

Also weg vom Apfel, hin zum Apfel-Cider. Wirtschaftliche Not oder Markenstrategie? Wie bist du zum Cider gekommen?

Die Cider-Produktion ist eine Herzensangelegenheit von mir und meinem guten Freund Sönke Seebohm. Wir haben gemeinsam unsere Lehre und später auch unseren Obstbau-Meister gemacht.

Wir reisen gerne. Auf unseren Reisen – bei mir war es Australien und bei Sönke die USA – sind wir auf Craft Cider gestoßen und waren sofort fasziniert von diesem tollen Produkt. In den Bars in Tasmanien gibt es mehr Cider Tabs als Bier Tabs und in den USA gibt es sogar reine Cider Bars. Cider ist weltweit gesehen der am stärksten wachsende Getränkemarkt. Sehr viel stärker als der Craft Beer Markt. Nur in Deutschland ist der Trend noch nicht ganz angekommen.

Der Cider, über den wir sprechen, hat übrigens nichts mit den bekannten Marken wie zum Beispiel Sommersby oder Savanna zu tun. Craft Cider erinnert geschmacklich eher an einen guten Wein und kann sehr komplex sein. Wir haben uns gefragt, warum es so etwas noch nicht in Deutschland gibt und dann kurzerhand entschlossen, dies zu ändern.

"Cider ist weltweit gesehen der am stärksten wachsende Getränkemarkt. Nur in Deutschland ist der Trend noch nicht ganz angekommen."

Welche wirtschaftlichen Buzz-Themen treiben euer Business um? Spielen die Themen Nachhaltigkeit, Technologie oder die viel diskutierte Zielgruppe der Millennials für einen Apfelbauern eine ebenso große Rolle wie für den deutschen Großkonzern?

Das Thema Nachhaltigkeit wird immer relevanter für die Vertriebskommunikation. Allein für den Handel müssen wir schon geprüfte Nachweise erbringen. Wir tun sehr viel für die Nachhaltigkeit. Bei uns wird zum Beispiel das Wasser für die Bewässerung selbst gefiltert und auf unseren Hallendächern haben wir Solaranlagen installiert, um eigenen Strom zu produzieren. Wir vermehren unsere eigenen Wildbienen, stellen Nistkästen für Vögel auf oder legen Bermen in unseren Wasserspeichern an, um Lebensräume zu schaffen. Bei der Verpackung bevorzugen wir Papier und Pappe.

Ich fände es schön, wenn der Handel und der Konsument dieses Engagement mehr wertschätzen und nicht immer öfter auf den Apfel von Übersee zurückgreifen würden. Denn was kann nachhaltiger sein, als einen regionalen Apfel zu kaufen?

Und wie unterstützen euch moderne Technologien dabei, eure Umsätze zu verbessern?

Neue Technologien werden natürlich auch in unserem Business immer wichtiger. So haben wir beispielsweise 2015 in eine neue Sortiertechnologie für Kirschen investiert. Diese war zu jenem Zeitpunkt einmalig in Deutschland. Jede Kirsche wird in der Sortiermaschine 30-mal fotografiert und jeweils kategorisiert. So können wir beschädigte Kirschen aussortieren, zu reife Kirschen in zwei Klassen sortieren und – was ohnehin schon standardmäßig vom Handel gefordert wird – die Kirschen nach Größe sortieren. Die Automatisierung ermöglicht uns so, ein perfektes Verkaufsbild abzuliefern – ein Alleinstellungmerkmal, das uns viele Türen geöffnet hat.

Wenn man darüber hinaus als Obstbauer marktfähig bleiben will, muss man wie in anderen Branchen auch, die Trends der Zeit mitgehen und seine Zielgruppen bestens kennen. Wie sind etwa die Tagesabläufe junger Familien? Wie viel Zeit bleibt eigentlich noch zum Kochen und Essen? Gibt es bald nur noch Snacks und Convenient Food? Oder: Was ist hip und angesagt und was geht gar nicht? Sei es das Produkt selbst oder das Material und Design der Verpackung. Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen.

 

Das Thema Digitalisierung wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Hierfür macht der Bund 2019 nur 142 Millionen Euro frei, China im Vergleich 48,5 Milliarden. Ein trauriger Vergleich. China landet auf dem Mond, wir schließen die CeBit. Um den digitalen Anschluss in der Wirtschaft nicht zu verpassen, stehen Konzerne und Mittelstand vor richtungsweisenden Fragen. Was würdest du sagen: Welche Rolle spielt die Digitalisierung für euch als mittelständisches Unternehmen?

An der Digitalisierung geht kaum ein Weg vorbei, selbst für einen Obstbaubetrieb im Alten Land nicht. Welche Sorte bringt den höchsten Ertrag? Zu welchem Verkaufspreis? Wie hoch sind die Erntekosten oder die jährlichen Arbeitskosten? Um alle Zahlen im Betrieb messen und lesen zu können, und damit auch in der Zukunft die richtigen Entscheidungen zu treffen und seinen betriebswirtschaftlichen Erfolg zu sichern beziehungsweise zu steigern, sind Datenerfassungen dieser Art außerordentlich wichtig.

Des Weiteren werden die Arbeitslöhne in den nächsten Jahren weiter steigen. Um noch konkurrenzfähig produzieren zu können, wird es immer wichtiger, seinen Betrieb zu digitalisieren, um zu automatisieren. Im Obstbau laufen schon die ersten Versuche mit selbstfahrenden Traktoren z.B. zum Mulchen von Gras. Im Weinbau werden Drohnen getestet, die Pflanzenschutzmittel mit dem Ziel ausbringen, ihren Einsatz auf ein Minimum zu reduzieren.

Die Bewässerung und Düngung unserer Bäume läuft bereits digitalisiert, um Wasser zu sparen und den Pflanzen täglich so viel Wasser und Nährstoffe zu geben wie sie benötigen. Ich denke in den nächsten Jahren wird die Technik so weit gehen, dass man Sensoren in die Bäume hängt, die zurückmelden, wann genau die Pflanze welche Nährstoffe benötigt und diese dann auch gleich verabreicht.

"Die Automatisierung gibt uns somit die Möglichkeit ein perfektes Verkaufsbild abzuliefern – ein Alleinstellungmerkmal, das uns viele Türen geöffnet hat."

Seht ihr euch selbst als innovative Apfelbauern?

Ich glaube jeder Unternehmer muss auf eine Art und Weise innovativ sein, um mit der Zeit zu gehen und um seine Marke so zu präsentieren, dass sie einen Wiedererkennungswert hat.

Unsere Qualitätsansprüche sind sehr hoch. Wir wollen unseren Kunden ein tolles Produkt liefern. Sie sagen nicht: Die Kirschen waren aber lecker, sondern: Die Kirschen vom Obsthof Kotulla waren lecker. Die gleiche hohe Messlatte legen wir auch bei unserem Zwutsch Cider an. Wir mussten letztes Jahr 4.000 Liter vernichten, da er einfach nicht unseren Ansprüchen genügte und Kundenerwartungen enttäuscht hätte. Da sind wir einfach konsequent.

Ich tausche mich außerdem viel mit meinen Berufskollegen aus. Nicht nur mit denen aus dem Alten Land, sondern aus ganz Deutschland und der Welt. Erst kurz vor Weihnachten war ich in Bozen/Italien auf einer internationalen Messe. Ich versuche über den Tellerrand zu schauen, beobachte was andere machen, was ich vielleicht übernehmen kann und was ich besser machen kann. Es ist ein ständiger Lernprozess.

Eure Marke ist poppig und spricht eine urbane Zielgruppe an. Zudem seid ihr regional gut aufgestellt. Ihr macht also vieles richtig. Wie seid ihr auf das Design gekommen?

Uns war wichtig, aufzufallen. Das war unsere Zielvorgabe. Das Auge kauft eben mit. Ich muss gestehen, dass ich selbst ein Etikettenkäufer bin. Wir wollten nicht den Fehler machen und im Regal untergehen. Unser Produkt sollte auffallen, schreien: „Kauf mich – und du bekommst etwas dafür!“

Während des Gestaltungsprozesses der Etiketten sind wir des Öfteren durch die Getränkeabteilungen in den Supermärkten gegangen und haben uns die Frage gestellt: Was würde hier auffallen und herausstechen? Es musste ganz klar poppig sein. Deswegen der Pop Art Style in Anlehnung an das bekannte BOOM-Zeichen von Andy Warhol.

"Kauf mich – und du bekommst etwas dafür!"

Hintergrundinformationen und Links

Das Alte Land

Das Alte Land ist nach Angaben des Tourismusvereins Altes Land e.V. das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Nordeuropas. Hier vor den Toren Hamburgs wird auf knapp 11.000 Hektar Obstanbau mit dem Schwerpunkt Apfelanbau betrieben. Aber auch andere Kulturen wie Birnen, Pflaumen und Süßkirschen werden im Alten Land angebaut.

Tourismusverband Altes Land

Wikipedia

Obsthof Kotulla

Der Obsthof Kotulla liegt in Hamburg-Francop und wurde über zwei Generationen hinweg als Hobby geführt. Seit 1998 dient er dem Vollerwerb. Jon Kotulla hatte damals gerade die Schule verlassen und eine Lehre zum Gärtner in Fachrichtung Obstbau begonnen. Heute ist er für die Hege und Pflege der Obstbäume verantwortlich, während sich seine Eltern um die Vermarktung des Obstes – Kirschen, Pflaumen, Äpfel und Birnen – kümmern. Aus der Fläche von damals 16 Hektar ist der heute 31 Hektar große Obstanbau-Betrieb entwachsen.

Das Hauptaugenmerk des Hofes im Alten Land liegt auf Kirschen – 26 verschiedene Sorten bauen die Kotullas an. Um ein bisschen Abwechslung in den Obst-Alltag zu bringen, entschloss sich Jon vor ein paar Jahren zusätzlich Pflaumen-, Zwetschgen-, Mirabellen- und Reneklodenbäume zu pflanzen. Auf dem Obsthof herrscht daher eine große Sortenvielfalt.

Webseite Obsthof Kotulla

Obsthof Kotulla bei Facebook

Zwutsch Cider

Apfel Cider

Der uns bekannte Cider – oder französisch: Cidre – stammt laut Wikipedia in seiner uns bekannten Grundrezeptur aus der Normandie, von wo aus er ab dem 13. Jahrhundert an relevanter wirtschaftlicher Größe gewann. Seinen Ursprung hingegen hatte der Cider wohl bereits mindestens 400 Jahre vor Christus. Nach ersten Berichten aus dieser Zeit wurde er im Ort Side in Kleinasien entdeckt, woraus auch der Name des Getränks abgeleitet sein soll.

Cider ist in der Statistik der Kategorie Fruchtwein- und Reiswein zugeordnet. Statista prognostiziert in diesem Segment für das Jahr 2019 eine Umsatzsteigerung von 3,2 Prozent. Tendenz steigend.

Statista-Daten zu Frucht- und Reiswein, Stand 11.01.2019

Verein der deutschen Fruchtwein- und Fruchtschaumwein-Industrie

Wikipedia