Haltung zeigen: Der positive Effekt einer klaren Haltung in der Unternehmenskommunikation

Transformation, Marke, Kampagne

„Die UEFA hat deutlich gemacht, dass ein politisches Statement am Spieltag für sie als Veranstalter der EURO nicht möglich ist.“ Die Entscheidung der UEFA, publiziert in diesem Statement vom 1. DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch, sorgte vor wenigen Wochen für Diskussionen. Auslöser war die Frage gewesen, ob die Münchner Allianz Arena während des EM-Spiels Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben leuchten dürfe. Die UEFA entschied dagegen.

Einer der Kritikpunkte lautete, bei solch einer Entscheidung handele es sich weniger um ein politisches Statement als um das Vertreten einer klaren Haltung. Einer Haltung gegen Diskriminierung und für eine freie, offene, tolerante Gesellschaft.

Die verärgerten Stimmen und ausufernden Diskussionen, die das Vorgehen der UEFA hervorrief, beweisen deutlich, wie sehr das Zeigen einer gewissen Haltung in der breiten Bevölkerung wahrgenommen wird. Besonders betont wurde, dass die Entscheidung über die Stadionbeleuchtung nicht den in der „Respect“-Kampagne #EqualGame der UEFA vertretenen Werten entspreche.

Haltung zeigen ist eine Form der Positionierung und somit wichtig für Unternehmen, sowie Einzelselbstständige oder Freiberufler:innen. Wer eine Haltung vertritt, wird wahrgenommen und übernimmt Verantwortung.

„Die Frage stellt sich uns nicht. Wir zeigen Haltung."

Auf die Frage, inwiefern es wichtig ist, Haltung zu zeigen, äußerte sich ein Pressesprecher der Deutschen Bank gegenüber K16: „Die Frage stellt sich uns nicht. Wir zeigen Haltung. Unser gesellschaftliches Engagement verstehen wir als eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, was eine klare Positionierung zu allen relevanten Themen einschließt.“

Auch Joe Kaeser, CEO von Siemens, nimmt zu Themen wie Rassismus oder Menschenrechten dezidiert Stellung. Um die Legitimation zu prüfen, ob sich ein Vorstandsvorsitzender wie er zu solchen Themen überhaupt öffentlich äußern sollte, befragte Siemens daraufhin die Mitarbeiter:innen. Das Ergebnis bestätigte Kaesers Handeln, denn fast 90 Prozent der zahlreichen Teilnehmenden wünschten sich, dass ihr Chef weiterhin zu Gerechtigkeitsthemen Stellung bezieht.

"Mehr als ein Drittel der Konsumenten (37 Prozent) betrachten sich als wertegetriebene Käufer – und das bedeutet Geschäft. So kaufen 48 Prozent von ihnen eine Marke zum ersten Mal aufgrund ihrer Position zu einem kontroversen Thema. Demgegenüber sagen 54 Prozent dieser Konsumenten, dass sie eine Marke nicht kaufen, wenn diese bei einem Thema schweigt, das von ihr vermeintlich adressiert werden müsste"

Um die Bedeutung, die hier dem CEO zukommt, weiß auch Hanning Kempe, General Manager FleishmanHillard Germany GmbH und stv. Präsident der GPRA. „CEOs sind heutzutage nur dann glaubwürdige Repräsentanten, wenn sie auch die Haltung ihres Unternehmens nach außen vertreten. Diese Aufgabe ist zunächst nicht delegierbar an andere. Damit ist das Thema Haltung natürlich nicht exklusiv und ausschließlich beim CEO. Er:Sie gibt aber die Inhalte und das Tempo vor.“

Eine klare Haltung kommuniziert ein Werteverständnis und zieht damit Kund:innen an, die diese Werte teilen. Der Grund ist einfach: Jede:r bewegt sich am liebsten innerhalb des eigenen Wertesystems, denn dieses ist uns vertraut, wir fühlen uns verstanden und repräsentiert.

Bestätigt wird dieses „Gefühl“ von den Ergebnissen verschiedener Studien. Die bereits 2017 veröffentlichte Edelman Markenstudie Earned Brand 2017 kam zu dem Ergebnis: „Mehr als ein Drittel der Konsumenten (37 Prozent) betrachten sich als wertegetriebene Käufer – und das bedeutet Geschäft. So kaufen 48 Prozent von ihnen eine Marke zum ersten Mal aufgrund ihrer Position zu einem kontroversen Thema. Demgegenüber sagen 54 Prozent dieser Konsumenten, dass sie eine Marke nicht kaufen, wenn diese bei einem Thema schweigt, das von ihr vermeintlich adressiert werden müsste.“

Neuere Studien unterstützen dies. So zitierte wiwo.de im Juni 2021 die Studie der Agenturgruppe Havas mit dem Hinweis, dass Verbraucher inzwischen mehr Haltung von den Marken erwarteten: „So wünschen sich 66 Prozent der Konsumenten mehr bedeutungsvolle Erlebnisse von Marken. 77 Prozent erwarten von Marken, dass sie Menschen in Krisenzeiten Unterstützung bieten.“ Demnach würden Marken prosperieren können, wenn sie ehrlich kommunizieren, auf die Bedürfnisse ihrer Konsumenten eingehen, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, Standpunkte vertreten und Versprechen einlösen sowie nachhaltig und klimagerecht handeln.

Für Marken gilt: Weniger reden, mehr machen!

Dieser Grundsatz ist in der internen Kommunikation ebenso wichtig wie in der Kommunikation und dem Auftritt nach außen. Die Kund:innen wie auch die Mitarbeitenden merken, ob die vertretenen Werte wirklich gelebt werden und beurteilen Unternehmen nach deren Glaubwürdigkeit. So sollte das eigene Team auch immer zuerst über kommende Marketingkampagnen, Plakate oder Videospots informiert werden.

Informiere zuerst die Mitarbeiter:innen

In der Hauptstadt war die Berliner Stadtreinigung (BSR) eines der ersten großen Unternehmen, das deutliche Zeichen setzte. „Ich musste damals immer am Alexanderplatz umsteigen und da ist so ein ganz normaler Kaffeestand. Da standen die Kollegen von der BSR und ihre orangefarbene Dienstkleidung war immer zusammengeknüllt in der Tasche. Als diese Kampagne eine Weile lief, standen die plötzlich in ihren organgefarbenen Uniformen da und waren stolz bei der BSR zu sein“, erinnert sich Petra Nelken, Pressesprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).

Wie die BSR begann (etwas später) auch die BVG ihre Kund:innen zu duzen. Ein „Wir“-Gefühl sollte transportiert werden, dessen Botschaft lautete „Wir sind wie du“. In der alteingesessenen BVG anfangs kritisch gesehen wurden jedoch schon bald selbst skeptische Mitarbeiter:innen vom Erfolg des vermittelten Gemeinschaftsgefühls überzeugt.

Glaubwürdigkeit ist das A und O

„Bei uns im Unternehmen ist es ganz klar: Solange du deinen Bus ordentlich fährst, ist es mir ziemlich scheißegal, wie du aussiehst und mit wem du ins Bett gehst, das interessiert mich alles nicht. Ob du an Gott oder an keinen glaubst, das geht mich einen Scheißdreck an“, so Petra Nelken. „Das ist angekommen im Unternehmen und das bringt dann natürlich auch eine positive Grundhaltung mit sich.“

Auch andere große Unternehmen positionieren sich zunehmend.

Wer Haltung zeigt, sollte sich auch auf weniger freundliche Reaktionen gefasst machen. Denn nicht selten folgt einer klaren Position ein Shitstorm von Personen, die sich angegriffen fühlen oder den profitorientierten Hintergrund von Unternehmen kritisieren. So erging es beispielsweise Gilette und einem Spot über toxische Männlichkeit.

Am Anfang ist der Shitstorm

Nun stellt sich durchaus die Frage, ob solch klare Statements wie bei Gilette durch ihren kommerziellen Hintergrund moralisch vertretbar sind. Natürlich profitieren die Unternehmen davon, doch eine Haltung zu zeigen und Vorbild zu sein muss nicht falsch sein, nur weil Kund:innen und Konsument:innen diese goutieren.

„Unternehmen und Marken sind längst zum Teilnehmer im gesellschaftspolitischen Diskurs geworden. Die Zeit in der es eine klare (Aufgaben-)Trennung von Wirtschaft, Politik und/oder Zivilgesellschaft in dieser Frage gab, ist endgültig vorbei“, erklärt Hanning Kempe.

Eine Haltung zu vertreten ist dabei nicht immer ein einfacher Weg und kurzfristig schon einmal frustrierend. Auf lange Sicht gewinnen Unternehmen jedoch an Werte-Kontur und werden verstärkt wahrgenommen je deutlicher Unternehmen Haltung zu brisanten Themen zeigen. Im besten Fall könnten sie die Welt sogar ein wenig zum Besseren verändern.

Auch die BVG hatte anfangs nicht nur Rückenwind. „Als wir herausgekommen sind mit „Weil wir dich lieben“, hatten wir einen Shitstorm, der ging durch ganz Deutschland. Was bilden die sich denn eigentlich ein? Weil wir dich lieben kommen wir immer zu spät… und so weiter“, erinnert sich Petra Nelken. „Damals tanzten wir bei unserem damaligen Finanzvorstand an, der das ja immer bezahlen musste, und der sagte: ‚Öffentlichkeit habt ihr erreicht, dann macht mal weiter.’“

Werte-Kontur und vielleicht sogar die Welt verbessern

„Der Diskurs unternehmensintern und extern mit unseren Stakeholdern mag von der: dem ein:en oder anderen als mühsam und lang oder gar wenig erfolgversprechend empfunden werden, ist aber notwendig und wird intensiv geführt", so die Deutsche Bank zu K16.

Es ergeben sich also folgende Voraussetzungen für die Positionierung mit einer Haltung: Es ist wichtig, dass

… der:die CEO sich der Wichtigkeit seiner:ihrer Rolle in dem Diskurs bewusst ist.

… die Menschen im Unternehmen an ihr Team glauben.

… gemeinsame Werte vertreten werden.

… sich möglichst viele mit der Botschaft identifizieren können und die Mitarbeitenden zuerst in Neuerungen eingeweiht werden.

Die Werte eines Unternehmens sorgen zusätzlich für ein gesteigertes Selbstbewusstsein der Mitarbeitenden und … verschaffen ihnen manchmal sogar den Respekt ihrer Teenager-Kinder.

„Wenn die Busfahrer nach Hause kommen und ihr 15-jähriger pickliger Sohn sagt, ‚Na, das finde ich ja ganz cool.‘, dann fühlen die sich gut. Dann sagen die, ‚Ich arbeite im richtigen Laden.‘ Und das war uns ganz wichtig, dass die Leute sich identifizieren können“, erzählt Petra Nelken.

Außerdem bringt das Zeigen von Haltung noch einen weiteren positiven Effekt mit sich. Die BVG zum Beispiel hat keine Probleme damit, Auszubildende zu finden.

"Der Diskurs unternehmensintern und extern mit unseren Stakeholdern mag von der: dem ein:en oder anderen als mühsam und lang oder gar wenig erfolgversprechend empfunden werden, ist aber notwendig und wird intensiv geführt."